Zeit bis zu den Ferien

Am 06.02.2023 um 01:17:23 erschütterte ein Erdbeben mit der Magnitude 7,8 den Süden der Türkei und den Norden Syriens. Stunden später traf ein zweites Erdbeben mit der Magnitude 7,5 die Region. Daneben kam es zu zahlreichen schwächeren Nachbeben. Die freigesetzte Energie jedes dieser beiden Erdbeben ist vergleichbar mit der Sprengkraft von mehr als 450000 Tonnen TNT. Zugegeben, diese Zahl entzieht sich der menschlichen Vorstellungskraft. Deutlich eindrücklicher wirkt daher die Zahl der Opfer. Bis heute (Stand 15.02.2023) ist die Zahl der Toten auf mehr als 40000 gestiegen. Schätzungen gehen davon aus, dass sie noch weiter steigen wird, auch weil die Suche nach Überlebenden mit fortschreitender Zeit immer aussichtsloser wird. Trotzdem darf man die Hoffnung nicht aufgeben. So wurde eine 26 Jahre alte Frau lebend gerettet, nachdem sie 201 Stunden unter den Trümmern eingesperrt war.

Bild 1: Die Erdplatten und ihre Bewegungsrichtung

Die Türkei und Syrien werden immer wieder von schweren Erdbeben getroffen. Grund dafür ist ihre Lage.

Wie wir in Bild 2 sehen können, ist die Erdkruste in mehrere große und kleine Platten aufgeteilt. Diese bewegen sich, treffen aufeinander und verhaken sich. Aufgrund ihrer Größe bauen sich dabei extreme Spannungen auf, auch wenn ihre Geschwindigkeit nur wenige cm im Jahr betrifft. Werden diese Spannungen zu stark, können sie sich ruckartig entladen, wodurch enorme Kräfte freigesetzt werden und Erdbeben entstehen. Die rote Markierung auf der Karte zeigt die Erdbebenregion, um die es geht.

Bild 2: Plattengrenzen, Plattenbewegungen und Erdbeben in der Türkei

Wenn wir etwas näher herangehen, sehen wir, dass die Türkei und Syrien an mehreren Plattengrenzen liegen. Je mehr Plattengrenzen in der Nähe eines Landes liegen, desto höher ist die Gefahr eines Erdbebens. Deshalb ist die Frage in dieser Region auch nicht, ob es zu einem Erdbeben kommt, sondern wann es dazu kommt. Mittlerweile geht man davon aus, dass Istanbul als Nächstes getroffen werden könnte. Da es sich dabei um eine Stadt mit mehr als 15 Mio. Einwohnern handelt, könnte die dabei entstehende Zerstörung die jetzigen Bilder noch in den Schatten stellen.

Auch die Bewegung der Erdplatten ist etwas, was wir uns aufgrund der Größenverhältnisse schlicht nicht vorstellen können. Folgende Bilder können uns das aber vielleicht etwas näher bringen.

Bild 3: Durch die Plattenbewegung beschädigte Straße  
Bild 4: Durch die Plattenbewegung verbogene Bahnschienen  

Auf beiden Bildern kann man den Berührungspunkt zweier Erdplatten sehen. Eine der beiden Platten hat sich um etwa 3-3,5 Meter verschoben. Dadurch ist die Straße zerbrochen und die Bahnschienen wurden verbogen. Als ich das zweite Bild Menschen in meinem Umfeld gezeigt habe, haben manche spontan gelacht, weil sie es lustig fanden. Und ich muss zugeben, dass die verbogenen Bahnschienen durchaus etwas Lustiges an sich haben. Generell denke ich, wenn ich mir diese Bilder anschaue, nicht als Erstes an die Zerstörung, die damit zusammenhängt. Ich staune eher darüber, wie beeindruckend die Welt ist, in der wir leben. Erdbeben, Vulkane und Tsunamis sind faszinierende Naturereignisse und die Auseinandersetzung mit ihnen finde ich unglaublich spannend.

Das Wort Katastrophe fällt erst, wenn Menschen dabei zu Schaden kommen. Letztendlich ist es nicht die Natur, die Schuld an den vielen Toten hat, es sind Menschen. Und damit meine ich nicht diejenigen, die in dieser Region wohnen und jetzt unter dem Erdbeben leiden. Ich meine die, die in einer risikobehafteten Region minderwertige Häuser bauen, um Geld zu sparen. Diejenigen, die so etwas eigentlich kontrollieren müssten, aber ein Auge zudrücken, weil sie vielleicht bestochen werden. Und die, die lieber Twitter einschränken, weil sich die Bevölkerung dort über sie beschwert, als für ein vernünftiges Katastrophenmanagement zu sorgen. Diese Katastrophe hätte verhindert oder ihr Ausmaß zumindest gemildert werden können. Ob sich daran etwas ändert, sehen wir wahrscheinlich erst, wenn das nächste Erdbeben kommt.

Zum Abschluss noch ein Bild, das die Größenverhältnisse der Region vielleicht etwas deutlicher macht. Wenn so ein Erdbeben in Deutschland passiert wäre (was nach jetzigem Wissensstand zum Glück unmöglich ist), wäre nahezu das ganze Land betroffen.


Bild 5: Größenvergleich der Region mit Deutschland

Quellen:

  • https://www.berliner-zeitung.de/news/erdbeben-opfer-im-stich-gelassen-erdogan-raeumt-fehler-ein-li.315728
  • https://www.tagesschau.de/ausland/asien/erdbeben-syrien-tuerkei-hilfen-101.html
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeben_in_der_T%C3%BCrkei_und_Syrien_2023
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Momenten-Magnituden-Skala
  • https://twitter.com/DrAndreasS/status/1622572401430085632
  • https://www.reddit.com/r/europe/comments/10wss6oanatolian_plate_moved_335_meters_after_the/
  • Diercke Praxis Band 2, Erdkunde, Gymnasium, Hannover 2020.

Dieser Artikel ist von Herrn Lichtsinn, Erdkunde-Lehrer am Gymnasium, als Gastbeitrag geschrieben.